Die Friedersdorfer Siedlung

eine kleine Chronik

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Allgemeines

Die Friedersdorfer Siedlung entstand zu Beginn des 20. Jahrhunderts am Ortsausgang der Stadt Pulsnitz an der östlichen Seite der Straße nach Kamenz. Urkundlich nachweisbar ist der Bau der ersten Häuser kurz vor dem ersten Weltkrieg. 1911 ließ ein Bauer Philipp einen Dreiseitenhof erbauen, bestehend aus einem Wohnhaus, einer Scheune und einem Stall. Diese Gebäude wurden seither mehrfach umgebaut und stehen heute als Wohnhäuser neben der Agip-Tankstelle in Richtung Kamenz. Auch die Tankstelle gehört noch zum Gebiet der Friedersdorfer Siedlung, während alle Grundstücke auf der anderen Straßenseite bis zum Grundstück des ehemaligen Gasthauses Waldschlösschen auf Pulsnitzer Flur stehen.

Luftbild FDS1
Die Tankstelle und links daneben die historisch ersten Häuser der Friedersdorfer Siedlung. Ganz links unten die Abrissfläche des Waldschlösschens
(Quelle: https://maps.google.de, 30.07.2022)

 

Ende der 1920er Jahre  begann der Bau der ersten Häuser auf dem Gebiet nördlich der Verbindungsstraße nach Friedersdorf. Geografisch gesehen ist es heute der letzte bewohnte Bereich der Stadt Pulsnitz in Richtung Steina/Kamenz. Östlich bildet die Staatsstraße S95, westlich die Bahnlinie Kamenz-Arnsdorf die Begrenzung. Die zentrale Kreuzung unserer Siedlung hat die Koordinaten 51°12'07.8" Nord und 14°01'20.6" Ost.

Luftbild FDS2
Der Hauptteil der Friedersdorfer Siedlung. Im oberen Bereich ist die Staatsstraße 95 erkennbar, am unteren Bildrand die Bahnstecke Kamenz-Arnsdorf.
(Quelle: https://maps.google.de, 30.07.2022)

Luftbild2Das markanteste Wahrzeichen der Friedersdorfer Siedlung ist die Weiße Brücke. Sie verbindet die Staatstraße 95 mit dem Ort Friedersdorf (seit dem 1.1.1994 einer der Ortsteile der Stadt Pulsnitz), wobei sie die Bahnlinie Kamenz - Arnsdorf überquert. Diese Verbindungsstraße hieß bis 2009 Mühlweg und führte ursprünglich von Obersteina nach Thiemendorf (Friedersdorf). Im Zuge der Eingemeindung des Dorfes Oberlichtenau in die Stadt Pulsnitz und der dadurch doppelten Bezeichnung der Straße „Mühlweg“ zogen die Ortsteile Friedersdorf und Friedersdorf-Siedlung den Kürzeren. Die Verbindungsstraße beider Ortsteile heißt deshalb seit 2009 "Zur Weißen Brücke". Damit alles seine Richtigkeit hat, brachte die Stadt Pulsnitz zeitgerecht die entsprechenden Straßenschilder an. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war für die Einwohner der Friedersdorfer Siedlung klar, dass die Straßenbezeichnung offiziell ist.  Auch die meisten Navigationsgeräte kannten diese Straße schon. Doch erst im Jahre 2019 fiel den offiziellen Stellen auf, dass auch die Personaldokumente der Einwohner der Straße Friedersdorfer Siedlung auf den aktuellen Stand gebracht werden müssen. Ab 02.07.2019 erfolgte die Aktualisierung des Personalausweises.

Die „Weiße Brücke“, damals eine Rundbogenbrücke aus Granit, wurde 1945 gesprengt und zuerst provisorisch als Holzbrücke, nach einigen Jahren (Anfang der 50er Jahre) in der heutigen Form wieder erbaut. Einzelne Granitstraßensteine sind noch heute weiß mit roter Warnmarkierung gestrichen.

Der Name "Weiße Brücke" leitet sich jedoch nicht von dieser Farbe ab, sondern stammt aus der Zeit, als dieses große Siedlungsgebiet (einschließlich der Waldschlösschensiedlung) fernab der Pulsnitzer Bebauung gelegen, eine unbewaldete freie Fläche war. Die Bezeichnungen dafür lautete "Weiße Leite" oder "Weiße Lehne". Damals gab es auch einen "Weißen Teich", der längst verfüllt ist. Der Name Weißbach für die Nachbarortschaft ist gleichen Ursprungs.

Die Friedersdorfer Siedlung ist "multinationales Gebiet". Verwaltungstechnisch bildet sie einen eigenständigen Ortsteil der Stadt Pulsnitz und besteht aus den beiden schon beschriebenen Teilen (im Bild gelb unterlegt). Historisch gewachsen liegen jedoch einige Grundstücke unserer Siedlung auf Steinaer Flur, gehören also zur Ortschaft Steina (im Bild orange unterlegt).

Die Einwohner der Friedersdorfer Siedlung hatten jedoch nie die Absicht irgendwelche Mauern oder ähnliche Bauwerke zu errichten. Sogar auf eine Kennzeichnung des Grenzverlaufs wurde schon immer verzichtet. Lediglich der Amtsschimmel wiehert mitunter recht eigenwillig, aber davon lassen sich die Einwohner nicht beeindrucken.

Die Friedersdorfer Siedlung weist eine postalische Kuriosität auf. Sie verfügt im offiziellen Buch der Postleitzahlen über einen eigenen Eintrag, wobei die Postleitzahl mit der von Pulsnitz identisch ist. Die Deutsche Post („gelbe Post“) versorgt die Pulsnitzer Grundstücke (Straßenbezeichnungen "Zur weißen Brücke" und "Friedersdorfer Siedlung") über das Pulsnitzer Postverteilzentrum. Die Häuser auf Steinaer Flur werden von der Post aus Steina (Kamenz) versorgt. Täglich kommen also zwei Postzustellungsfahrzeuge auf die Siedlung: eines aus Richtung Kamenz für die Steinaer Einwohner, eines aus Richtung Pulsnitz für alle anderen Einwohner. Mit der Erweiterung der Postzustellung durch den privaten Postdienst „Post Modern“ wurde diese Kuriosität noch verschärft, denn auch die roten Fahrzeuge dieses Zustellers kommen zu zweit, um ihren Auftrag zu erfüllen. Beide Fahrzeuge kommen aus Kamenz, eines für die Einwohner des Pulsnitzer Ortsteils Friedersdorf-Siedlung und das andere für die Steinaer Einwohner.

Es ging sogar noch verrückter: Bis zu seiner Auflösung gehörte die Stadt Pulsnitz zum Kreis Bischofswerda, die Friedersdorfer Siedlung zum Kreis Kamenz. In den Ausweisen der Siedlungsbewohner stand demzufolge als Wohnort "Friedersdorf", als Straße nur "Siedlung xx". Für die Postzustellung war das völlig ungeeignet, denn Pulsnitz hat mehrere Siedlungen. Also lösten die Siedlungsbewohner das Problem auf ihre eigene Art und Weise. Da die Post, Müllabfuhr, medizinische Versorgung und vieles mehr schon immer und ganz offiziell über Pulsnitz erfolgten, schrieben sie einfach "8514 Pulsnitz, Friedersdorfer Siedlung xx". Besonders bei der Anlieferung von Haushaltgeräten war dieses Durcheinander mitunter hilfreich, wenn es um Versandkosten oder Lieferbezirke ging. Kaufte man im Bereich Bischofswerda ein, ließ man nach Pulsnitz liefern. Das stand zwar so nicht im Ausweis, konnte aber mit der Postadresse gut nachgewiesen werden. Beim Einkauf in Kamenz konnte man sich auf das im Ausweis stehende Friedersdorf (das flächenmäßig gar nichts mit der Siedlung zu tun hatte und ca. 1km entfernt liegt) berufen, was wiederum im Kreis Kamenz liegt. Dass als Postadresse Pulsnitz angegeben werden musste, war auch schnell erklärt. Meldetechnisch musste alles in Oberlichtenau erledigt werden, da weder Friedersdorf noch die Friedersdorfer Siedlung eine entsprechende Meldestelle besaßen. Erst mit der Einführung des bundesdeutschen Rechts und der Eingliederung der Ortsteile Friedersdorf und Friedersdorf Siedlung in die Verwaltungsgemeinschaft Pulsnitz wurde dieser Zustand bereinigt. Heute gehört alles zum Landkreis Bautzen.