Die Friedersdorfer Siedlung

eine kleine Chronik

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© Andreas Garten 2017 - 2024

Der Bau der Kläranlage

Wir wohnten als sechsköpfige Familie  in Radeberg in einer 4-Raum Neubauwohnung. Trotz dieser vergleichsweise komfortablen Wohnsituation beschlossen wir nach dem Ableben der Eltern, in deren Haus auf die Friedersdorfer Siedlung zu ziehen. Bedingung war natürlich, dass statt des Plumsklos eine Toilette mit Wasserspülung zur Verfügung steht. Die erste Maßnahme war also der Bau einer 3-Kammer-Kläranlage. Nach Abschluss der Um-und Ausbauarbeiten sind wir im Sommer 1982 eingezogen. Bald stellte sich heraus, dass die Klärgrube alle sechs Wochen geleert werden musste, da wir keine Sickergenehmigung erhalten hatten. Das war finanziell auf Dauer nicht tragbar.

Die Lösung konnte nur im Bau einer großen Kläranlage für die ganze Siedlung bestehen. Das Gelände mit seinem leichten Gefälle und der fast steinlose „Karnickelsand“, auf dem die Siedlung steht, sollten keine Schwierigkeiten machen. Also habe ich bei unserer  Friedersdorfer Bürgermeisterin nachgefragt, ob die Gemeinde ein solches Projekt anschieben könnte. „Da wird in nächster Zeit nichts!“ war die Antwort. Aber sie hat sich erinnert, dass die Siedlung im Rahmen einer Diplomarbeit von Herrn Haase, Günter schon vermessen wurde, mir eine Lichtpause des Lageplans überlassen und grünes Licht gegeben, in dieser Angelegenheit aktiv zu werden. 

Zuständig für uns war die Wasserwirtschaft in Radeberg. Dessen Chef kannte ich von Betriebsfeiern, da seine Frau in der selben Hauptabteilung bei  Robotron Radeberg wie ich arbeitete. Er nahm sich der Sache an und beauftragte seinen Mitarbeiter, Herrn Schilk, mit der Projektierung. Er übernahm es auch, aus der Idee ein Projekt zu machen und es beim Rat des Kreises Kamenz, Abt. Umweltschutz, Wasserwirtschaft und Erholungswesen (UWE),  anzusiedeln.

Der Zeitpunkt war günstig. Die Parteiführung der DDR hatte auf dem letzten Parteitag beschlossen, die Lebensverhältnisse auch auf dem Lande zu verbessern und dafür Geld zur Verfügung gestellt. Was fehlte, waren Kapazitäten von Baukombinaten und Material. Alle und alles waren auf Jahre „ausbilanziert“.  Es war also uns überlassen, eine Firma zu finden, die die Erdarbeiten übernehmen würde, und das  Material zu organisieren. Die Mitarbeiter der Abteilung UWE beim Rat des Kreises sagten uns dabei ihre Unterstützung zu. Das Verlegen der Leitungen und den Bau der Schächte müssten aber die Bewohner der Siedlung im Rahmen der „Volkswirtschaftlichen Masseninitiative“ (VMI) selbst übernehmen.

Mit diesem Ansinnen haben wir die Anwohner zu einer Versammlung bei Wolfgang Noack eingeladen. Herr Schilk hat das Projekt vorgestellt. Natürlich gab es Zweifel, dass das Vorhaben bis zum Erfolg geführt werden kann. Aber niemand hat es abgelehnt, alle haben die Mitarbeit im Rahmen ihrer Möglichkeiten zugesagt. Die vier Rentner Helmut Schmidt, Paul Ullrich, Hermann Schöninger und Erich Kühne erklärten sich bereit, die Rohrverlegung und den Bau der Schächte zu übernehmen. Sie waren ab sofort gewissermaßen  das „Herz“ der Unternehmung.   Helmut Schmidt war ein erfahrener und gewissenhafter Fachmann. Herr Schilk konnte sich darauf verlassen, dass sein Projekt fehlerfrei umgesetzt werden würde.

Der erste Projektentwurf sah vor, das Abwasser der Friedersdorfer Siedlung über die Gemeindegrenze und über die Kreisgrenze hinweg in das vor wenigen Jahren entstandene Abwassernetz der Otto-Buchwitz-Siedlung mittels Druckpumpe einzuleiten. Das Ansinnen wurde aber von der Stadt Pulsnitz und dem Kreis Bischofswerda abgelehnt wegen zu geringer Kapazität ihrer Abwasseranlage.

Also musste umprojektiert  und eine eigene Klärgrube gebaut werden. Für den Abfluss des geklärten Wassers war zu sorgen. Das war ein Problem, denn als vernünftige Lösung stand nur der Bahngraben entlang des Gleisbettes zur Verfügung. Die Deutsche Bahn soll unser Abwasser aufnehmen? Daran glaubte niemand. Aber dank der guten Kontakte einiger Siedler zur Bahn ist auch das gelungen und wir bekamen die Genehmigung zu Einleitung. Der bei solchen Angelegenheiten obligatorische Kasten „Radeberger“ war nicht nötig.

Nun musste eine 60m3 fassende Kläranlage besorgt werden. Laut Kreisverwaltung konnten wir erst in zwei Jahren in die Bilanzierung aufgenommen werden. Aber wir könnten uns auch selbst an den Hersteller in Cunewalde wenden. Ein Anruf dort war erfolgreich. „Könnt ihr haben! Aber ihr müsst sie noch in diesem Jahr abnehmen, damit wir sie in unsere Jahresbilanz bekommen“. Das war Ende Oktober  1984. An einem grauen Novembertag haben wir dann die Betonteile  vom LKW geladen.  Das war der erste Arbeitseinsatz. Paul Ullrich führte die Anwesenheitsliste. Es gab im Rahmen der VMI eine Vergütung von 2,50M pro Stunde.

 Die Rechnung für die Betonteile bekam die Gemeinde und wurde an die Kreisverwaltung weitergeleitet. Mit der Bezahlung von Rechnungen hat es in der gesamten Bauzeit nie Probleme gegeben.

Als Standort der Grube wurde eine Stelle neben dem ehemaligen Löschteich und nahe dem Bahngraben auf der LPG-eigenen Wiese ausgewählt. Auch hier hat die Bahn zugestimmt. Die LPG hat auch die Genehmigung für das Befahren der Wiese erteilt zum Zwecke der regelmäßig notwendigen Leerung der Grube.

Während der Winterzeit waren alle Schachtscheine zu besorgen und eine Firma, die im Frühjahr bereit war, die Grube für die Kläranlage auszuheben. Dafür konnten wir den „Agrobau“ gewinnen mit seinem Chef, Herrn Kaiser. 1985 ging es dann los.

Unmengen Erde wurden ausgebaggert und abgefahren.  Bald war die Sohle erreicht und die Bodenplatte musste hergestellt werden. Noch während der Armierungsstahl verschweißt wurde, kamen schon die ersten Ladungen Beton an und waren auszubreiten und zu verdichten.

Auf die Bodenplatte wurden die Betonteile der Kläranlage exakt nach Bauplan aufgemauert. Dann war zu verputzen und zu teeren. Schon im Sommer konnte wieder verfüllt werden.

Als nächstes waren die Zuleitung und die Ableitung zu verlegen. Dazu musste Baufreiheit geschaffen werden.

Von der Grube angefangen, wurden 150er Steinzeugrohre verlegt. Die Rohre hatten keine Gummidichtungen. Die  Muffen mussten mit Heißteer  ausgegossen werden. Hellmut Schmidt zeigte mir, wie das gemacht werden muss. Er wusste auch, wo ich den notwendigen Strick bekommen kann. Mit Hilfe eines geliehenen Teerofens konnte dann das Vergießen am Feierabend und an den Wochenenden vorgenommen werden.

Bald musste der erste Schacht gebaut werden. Für die Schächte brauchten wir 900Stück konische Essenziegel. Die waren natürlich offiziell über die Abteilung UWE in Kamenz nicht zu bekommen. Aber auch hier half ein Anruf direkt beim Hersteller. „Können wir liefern, aber nur einen ganzen Waggon zu 10.000Stück“. Hier haben die Kamenzer  geholfen und einen Abnehmer für die restlichen 9.100Stück organisiert. Der Waggon wurde auch zum vereinbarten Zeitpunkt in Pulsnitz angeliefert, die 900 Ziegel mussten aber mitten am Tag sofort entladen werden. Wer von uns konnte, hat seinen Arbeitsplatz verlassen und geholfen, die Ziegel auszuladen.

So wurde die Leitung abschnittsweise verlegt. Jeder musste angeben, wo er sich einbinden möchte. Dort wurden Abzweige eingebaut, die von 150mm Durchmesser auf 100mm reduzierten. Ab Grundstücksgrenze war dann jeder für seinen Anschluss selbst zuständig.

Im Sommer 1987 war das Bauwerk fertig und wurde von der staatlichen Bauaufsicht abgenommen. Die Kosten für das Projekt haben wir offiziell nicht genannt bekommen, es sollten wohl  110.000M gewesen sein.

Ab jetzt durfte sich jeder anschließen. Die Grube war einmal pro Jahr von der Fäkalienabfuhr zu leeren, wieder mit Wasser zu füllen und in Abständen zu kalken . Die Kosten dafür übernahm die Gemeinde.

Die Gebühren für die Nutzung der Anlage wurden auf 15,-M pro Person und Jahr festgelegt und waren an die Gemeinde als Rechtsträger zu entrichten.

Nach der Wende gab es einige gesetzliche Veränderungen. Es waren Abwasserzweckverbände (AZV) zu gründen als Körperschaften des öffentlichen Rechts, denen die Kommunen alle vorhandenen Anlagen zu übertragen hatten. Es gab aber Übergangsfristen. Und so konnten wir unsere Anlage noch bis zum Jahr 1998 weiterbetreiben, ab 1995 nach den neuen Regeln des AZV. Die Beiträge wurden jetzt von Frau Marianne Garten eingesammelt und überwiesen.

Die Fäkalienabfuhr musste aber jetzt Geld verdienen. Und so kam es, dass aus unserer 60m3 fassenden Klärgrube lt. Rechnung  85m3 abgefahren wurden. Rechnungsbeträge  waren nun auch auf ein Konto einer Bank in Ludwigshafen zu bezahlen, ab 1993 dann aber an den  AZV.

Im Jahr 1999 hat der AZV die Anlage komplett übernommen. Die Klärgrube wurde stillgelegt, eine Pumpe installiert und eine Druckleitung zum jetzt leistungsfähigeren Abwassernetz nach Pulsnitz gelegt. Obwohl der AZV unsere gut funktionierende Anlage geschenkt bekommen hatte, mussten wir gemäß Sächsischem Kommunalabgabengesetz  hohe Anschlussbeiträge bezahlen, und die Abwassergebühren wurden nun aus dem Trinkwasserverbrauch errechnet. Die Gebührenbescheide bekommt nun jeder Haushalt individuell zugestellt.

Im Jahr 2002 wurde der AZV Pulsnitztal dem AZV Obere Schwarze Elster, Sitz Kamenz, angegliedert. Geschäftsbesorger ist die ewag Kamenz, eine Aktiengesellschaft der Stadt Kamenz.

Unsere Abwasseranlage läuft jetzt bereits 31 Jahre ohne nennenswerte Störungen. Die Rentnerbrigade hat gute Arbeit geleistet.

Friedemann Hedrich, 20.04.2018