Die Friedersdorfer Siedlung

eine kleine Chronik

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© Andreas Garten 2017 - 2024

Der „Spielplatz Siedlung“

Kinder haben einen natürlichen Bewegungsdrang, wollen ihre Welt entdecken und Grenzen ausloten. Das war früher nicht anders als heute. Nur sind die Wege zu diesen Entdeckungen heute andere als vor 20, 40 oder 60 Jahren.

Wozu kann man eine kleine Schaufel, die eigentlich für den Sandkasten gedacht war, noch verwenden? In den 30er Jahren diente sie beispielsweise dazu, den Bahndamm zu untersuchen.

Die Siedlungsstraße zwischen den Häusern 11 und 12 wurde regelrecht „untergraben“. Mit den kleinen Schaufeln, die kaum größer waren als eine Kinderhand, begannen einige der damaligen Kinder wohl einen kleinen Regenwasserablauf für die Straße zu bauen. Von der Bahndammseite beginnend wurde ein kleiner Graben angelegt. Nicht lang, vielleicht ein oder zwei Meter. So genau weiß das heute keiner mehr. Die Neugier war geweckt, der Graben entwickelte sich zu einem imposanten Loch. Es störte auch keinen, denn es war weder eine richtige Straße noch gab es Fahrzeuge. Irgendwann war das Loch dann aber doch zu groß und die „Großen“ verdarben den „Kleinen“ des Spaß.

Eine weitere Lieblingsbeschäftigung der Siedlungskinder in den 30er und 40er Jahren war „Baumhasche“. Heute nicht mal im Ansatz denkbar, damals ein regelrechter Wettkampf. An den Außengrenzen der Siedlung standen noch viele alte Bäume mit noch mehr Ästen, die oft bis zum Boden rechten. Einige dieser Bäume hatten sogar Namen bekommen. Was lag also näher, als von einem Ast zum nächsten zu Klettern und den oder die Anderen zu fangen. Blaue Flecke waren zwar an der Tagesordnung, aber wen interessierte das schon. Und die Mädchen machten natürlich mit und waren oft die Gewinner.

Die Phantasie der Kinder war schier unerschöpflich. Da es kaum Spielzeug gab, wurde mit einfachsten Dingen der Natur gearbeitet. So entstanden durch einfache Zeichnungen (heute würde man Grundrisse dazu sagen) im Sand der Siedlungsstraße Wohnungen. Sehr ordnungsbewussten Anwohnern waren diese Zeichnungen auf dem frisch geharkten Streifen vor dem Zaun zwar ein Dorn im Auge, aber davon ließen sich die Kinder nicht stören.

Natürlich wurde auch kräftig Schabernack getrieben. So wurde eine leere Brieftasche auf die Straße gelegt und an einem dünnen, gut getarnten Faden befestigt. Die Kinder versteckten sich und erwarteten ihr „Opfer“. Griffen diese dann nach der Brieftasche, zogen sie am Faden…

Eine andere Art Leute zu erschrecken bestand darin, einen Blecheimer mit allerlei Inhalt möglichst geräuschvoll umfallen zu lassen. Die Straße nach Kamenz war kaum befahren. Straßenbeleuchtung gab es nicht. Vor allem abends, wenn es schon dämmerte oder dunkel war, bekam mancher Fußgänger oder Fahrradfahrer einen ordentlichen Schreck, wenn es neben ihm völlig unerwartet polterte. Ein Zug am Faden durch die im Wald oder im Straßengraben versteckten Kinder und die Freude war groß.

Natürlich gab es auch die andere Seite. Kinder vertrauen auf das, was ihnen von den Erwachsenen gesagt wird. Die Welt der Sagen-Figuren bot viele Möglichkeiten, die Kleinen zu "erziehen". Eine dieser Figuren war der "Pobanz". Er wurde oft bemüht wenn es darum ging, bestimmte Gebiete nicht zu betreten. Mal steckte er im dunklen Wald, dann wieder irgendwo im Keller, auf dem Heuboden oder wo man sich eben nicht aufhalten sollte. Und wenn dann im halbdunklen Wald die Äste knickten oder ein Blecheimer umfiel, war es eben der Pobanz. Vor dem hatten übrigens nicht nur die Kinder Angst, wie der eine oder andere "Ureinwohner" unserer Siedlung zu berichten weiß...

Erzählt von Johanna, Manfred und Sieglinde Schäfer
Aufgeschrieben von Andreas Garten

 

spielstrasse1955 2Auch in den 50er Jahren wurde die Siedlungsstraße weiterhin als Spielplatz genutzt. Dieses Mal am anderen Ende: Auf der Kreuzung an der heutigen Nr. 14 befand sich ein kleiner Sandhaufen. Es war der Rest Streusand, den die Gemeinde für den vergangenen Winter bereitgestellt hatte. Das war für uns Kinder ein hervorragender „Sandkasten“. Auf dem Foto sind die Geburtsjahrgänge 1950 und folgende beim Herstellen der Infrastruktur für die „Grundstücke“ zu sehen, um mit den Autos aus Holz Transporte durchführen zu können. (Man beachte den Bewuchs der Straße.) Leider ist nicht überliefert, welche Kunstwerke damals entstanden.

Anfang der 60er Jahre war es dann die Straße an der heutigen Nr. 13 (Westseite), wo „Straßen und Grundstücke" entstanden. Auch Tunnel wurden dann gegraben, durch die die kleinen Fahrzeuge aus Blech fahren konnten. Die Fahrer der einzelnen Fuhrbetriebe erhielten natürlich auch Namen, die nicht den offiziellen Rufnamen entsprachen. Interessanterweise haben sich einzelne Namen noch sehr lange erhalten bzw. sind heute noch „aktuell“ (!).

Hier wurde in speziellen Wassergräben auch so mancher Liter Brunnenwasser versenkt. Beim Graben der Tunnel und der Wasserläufe konnten damals interessante Steine gefunden werden, die natürlich gesammelt wurden und nicht wieder im Straßenrand verschwanden.

Aber auch „Neubauers“ Wäldchen wurde eingenommen und die kleineren Bäume erklettert. Dabei hatte jeder „seinen“ Baum und kein anderer durfte da hinauf.

(Wolfgang Ullrich)