Die Friedersdorfer Siedlung

eine kleine Chronik

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© Andreas Garten 2017 - 2024

Das Kabelfernsehen kommt auf die Siedlung

Die Friedersdorfer Siedlung liegt in der Nähe von Dresden. Funktechnisch gut abgeschirmt war es nur bei bestem Funkwetter möglich "Westfernsehen" zu empfangen. Wir lebten also im "Tal der Ahnungslosen". Mit abenteuerlichen Antennenkonstruktionen wurde versucht, ARD oder ZDF vom Berliner Funkturm zu empfangen. Mehr als ein vergriestes Schwarzweißbild war selten zu bekommen.

Besonders gemein war, dass der "Tscheche" auf gleicher Frequenz wie das ZDF und ein Bautzner Fernsehumsetzer auf gleicher Frequenz wie das ARD sendeten. Sie überlagerten die ohnehin schwachen Berliner Signale gnadenlos.

Abhilfe brachte erst die Freigabe des Satellitenfernsehens für private Haushalte. Ende 1985, knapp 5 Jahre vor dem Mauerfall, wurde die "Antennengemeinschaft" gegründet. Offiziell geschah das im Rahmen des Wettbewerbs "Schöner unsere Städte und Gemeinden - Mach mit!" Der Siegesberg eignete sich empfangstechnisch besonders gut. Dort sollte die Kopfstation entstehen, von der dann über damals noch sehr teures Kabel jeder Haushalt angeschlossen werden konnte. Auch die Empfangstechnik (Antennen, Verstärker, Masten usw.) kosteten viel Geld. Teilweise musste sogar im Westen eingekauft werden, da es manche Teile in der DDR einfach nicht gab. So kam ein Grundbetrag von 700 DDR-Mark zusammen, den jeder anzuschließende Haushalt berappen musste. Im Rahmen der späteren Endabrechnung im März 1989 kletterte dieser Wert noch auf 900 DDR-Mark.

Zusätzlich waren Arbeitseinsätze nötig, denn die Gräben für das das Antennenkabel mussten zum größten Teil per Hand geschachtet werden. Bagger, wie es sie heute gibt, standen nicht zur Verfügung oder waren planwirtschaftlich anders gebunden. So buddelten viele Siedlungsbewohner an den Wochenenden Gräben vom Siegesberg zur Schwedensteinklinik, von dort an der Kleingartenanlage und dem Trebeteich vorbei bis zur Kamenzer Straße. Innerhalb der bewohnten Bereiche wurden die Kabel dann nach bestem Wissen und Gewissen von Haus zu Haus verlegt. Das ging natürlich nicht ohne gewissenhafte Planung, denn jeder Meter Kabel kostete Geld.

Kabelplan Stand: 06/1988
Kabelplan bei Inbetriebnahme der Anlage 1988

Die Verkabelung der Siedlung wurde aus Kostengründen ebenfalls in Eigenleistung vorgenommen, wobei sich Andreas Garten und Friedemann Hedrich sowohl als Improvisations- und Kletterkünstler zwischen oder an den Häusern als auch als Feinmechaniker auf den Dachböden einen Namen machten.

Ab 1988 konnte die Anlage dann genutzt werden. Nach und nach wurde das Senderangebot erweitert. 1991 musste die Antennengemeinschaft aufgrund der neuen bundesgesetzlichen Regelungen in ein privates Unternehmen überführt werden. Waren es 1989 noch 7 Sender, die mehr oder weniger gut bei den Bewohnern ankamen, stieg die Zahl 1993 schon auf 16 Fernseh- und 10 Rundfunksender. Heute kann man aus knapp 100 TV- und über 200 Rundfunksendern wählen. Sogar der Jahresbeitrag ist bis heute annähernd konstant geblieben, zumindest der Zahlenwert. Von ca. 60 D-Mark im Jahr 1991 auf 66 EUR im Jahr 2017.

Heute hat das Kabel-TV auf unserer Siedlung seine Daseinsberechtigung verloren. Zu oft gab es Ausfälle auf dem langen Signalweg. Zudem sanken die Anschaffungspreise für SAT-Anlagen extrem, sodass mittlerweile fast alle Siedlungsbewohner auf eigene SAT-Empfangstechnik umgerüstet haben.

(AG, 23.02.17)