Die Friedersdorfer Siedlung

eine kleine Chronik

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Kommunale Mitbestimmung

Die Friedersdorfer Siedlung liegt bekanntlich etwas abseits der Ortszentren von Pulsnitz, Friedersdorf oder Oberlichtenau. Dennoch konnte man ihre Einwohnerzahl nicht so einfach vernachlässigen. Das sollte sich auch in den kommunalen Vertretungen zeigen.

Die Friedersdorfer Siedlung gehörte seit Beginn ihres Bestehens zum Ort Friedersdorf, obwohl die Pulsnitzer Siedlungsgebiete näher lagen. Die Ortsgrenze zwischen Pulsnitz und Friedersdorf verläuft ohnehin etwas eigenartig, besonders der Teil an der Kamenzer Straße.

Für den Zeitraum von der Gründung der Friedersdorfer Siedlung bis zum Ende des 2. Weltkrieges konnten leider keine Quellen gefunden werden, die Aussagen zur Mitwirkung von Siedlungsbewohnern in kommunalen Gremien erlauben. Es war üblich, dass es in den Orten einen Bürgermeister gab. Dieser erfüllte oft auch Aufgaben als Richter. Weiterhin gab es je nach Ortsgröße noch 2-3 Einwohner, die als Gemeindeälteste, Beigeordnete oder Schöffen tätig waren. Im Jahre 1940 war Felix Hommel 1. Beigeordneter des Bürgermeisters der Gemeinde Friedersdorf. Demokratie im heutigen Sinne kannte man nicht. Erst für die Zeit nach 1945 gibt es belegbare Fakten.

Nach 1945 wurden die Mitglieder der Gemeindevertretungen über die "Nationale Front" vorgeschlagen. Diese Liste war gewöhnlich die einzige, die bei den aller 4-5 Jahre stattfindenden Kommunalwahlen zur Auswahl stand. Der Begriff "Wahl" war also auf "Ja" oder "Nein" beschränkt, wobei ein "Nein" keine Chance hatte. Einverstanden war der Wähler, wenn er den Wahlzettel unverändert in die Wahlurne steckte. Wahlkabinen gab es nur der Form halber, benutzt wurden sie praktisch nie. Im Gegenteil: Wer in die Kabine ging, der fiel auf und bot allerlei Gerüchten beste Nahrung. Man nahm also den Wahlzettel und warf ihn so, wie man ihn bekommen hatte, in die Wahlurne. Zwar konnte man Änderungen vornehmen, das wäre aber aufgefallen. Diese Änderungen in Form einer Streichung eines Kandidaten musste sich der Wähler wohl überlegen. Ging man erst gar nicht zur Wahl, fiel das auch auf. Fast immer auch den offiziellen Stellen. Und diese interessierte dann auch brennend das Warum. Der Wahlausschuss setzte auch eine "Fliegende Wahlurne " ein, die Gebrechliche und eventuelle "Nichtwähler" aufsuchte.

Bei der Zusammenstellung der Liste für unseren Wahlbezirk wurde darauf geachtet, dass möglichst immer ein Einwohner der Friedersdorfer Siedlung Mitglied der Gemeindevertretung war. In der Praxis sah das in den einzelnen Wahlvorschlägen dann so aus [1]:

1946: Paul Noack
1950: Paul Schäfer
1957: Paul Ullrich
1961: Paul Ullrich (Nachfolgekandidat: Konrad Dreßler)
1965: Paul Ullrich, Marianne Garten, Konrad Dreßler, Erhard Haase
1970: Paul Ullrich
1974: Paul Ullrich
1979: Paul Ullrich, Werner Schäfer
1984: Werner Schäfer, Marianne Garten
1989: Marianne Garten, Andreas Garten

Die Wahl im Jahr 1989 spielte praktisch keine Rolle mehr. Die Wendezeit war derart turbulent, dass die Beschlüsse -sofern überhaupt vorhanden- am nächsten Tag oft nicht mal mehr das Papier Wert waren, auf dem sie gedruckt bzw. mit der guten alten Schreibmaschine geschrieben wurden.

Eine Aufgabe der gewählten Gemeindevertreter bestand darin, den Bürgermeister und je nach Gemeindegröße noch 1-3 Gemeinderäte zu bestimmen. Sie waren die Ansprechpartner der Gemeinde, hauptsächlich als Anlaufpunkte für Beschwerden aller Art. Zu ihren Aufgaben gehörte auch dafür zu sorgen, dass der „Frieden“ wiederhergestellt wurde. Dass es nicht einfach war, in Zeiten der Mangelwirtschaft bestimmte Forderungen durchzusetzen, wird mancher nur verstehen, der die Zeit hautnah erlebt hat.

Zu diesen Gemeinderäten (nicht zu verwechseln mit den gewählten Gemeindevertretern) gehörte über viele Jahre Paul Ullrich. Er war in dieser Funktion Hauptanlaufpunkt. Als Mitglied des Gemeinderates wurde Paul Ullrich manchmal als „Bürgermeister der Siedlung“ bezeichnet. Er führte das „Beschwerdebuch der Siedlung“ und musste die Probleme der Bürger der Siedlung, und das waren nicht wenige, dem bzw. der Bürgermeister(in) und dem Gemeinderat vortragen.

Hauptprobleme in den Jahren seiner „Amtszeit“ waren u.a.

  • der mangelhafte Zustand der Straßenbeleuchtung,
  • die schlechte Versorgungslage der Siedler mit Südfrüchten und anderer Mangelware,
  • der Zustand der Siedlungsstraße,
  • die schlechte Versorgung mit Elektroenergie,
  • Mängel in den Öffnungszeiten der Gaststätte „Waldschlösschen“ und der damit verbundenen Versorgung der Siedler,
  • der schlechte Zustand des „Mühlweges“ als Schulweg und
  • die Versorgung mit Brennstoffen.

Im Ortsausschuss der Nationalen Front arbeiteten ab 1969 Konrad Dreßler und Manfred Schäfer mit.

Alle diese Arbeiten erfolgten ehrenamtlich, sieht man mal vom Bürgermeister ab.  


[1] Quelle: Ortschronik Friedersdorf